Zur Technik
Da Ikonen in enkaustischer Malerei nur in der Frühzeit hergestellt wurden, beschränkt sich dieser Beitrag
-stichwortartig- auf die Temperamalerei (für russische Ikonen vorgegeben) und zeigt dann insbesondere die Technik der "modernen Ikonen" des Ikonographen Alexej Saweljew. Die
ersten Ikonen waren in Wachsfarben (Enkaustik) ausgeführt. Damals war es die einzige Maltechnik. Wachsfarben sind aber farbarm. Für die verklärte Welt der Ikone sind etwa im 4. Jahrhundert passende,
leuchtende und durchsichtige Farben gesucht und gefunden worden. Ton und Steine werden zu Pulver verarbeitet, mit geweihtem Wasser dünn angerührt und ohne Temperari (Bindemittel) schichtweise aufgetragen und
mit Öl versiegelt. Später kam aus der Kunst die bequeme, deckende Tempera mit dem penetranten Blattgold in das Wesen der Ikone. Dunkle Ikonen gibt es nicht und kann es nicht geben. Wenn wir heute schwarze
Ikonen sehen, dann sind es sehr schmutzige oder sehr gefälschte Ikonen. Die so beliebte Blechverkleidung ist als Geschenk an die wundertätigen Ikonen später barbarisch angenagelt worden; die meisten stammen
aus dem Jugendstil.
Wie eine Ikone entsteht (klassische, traditionelle Schreib-, Malweise):
Zum besseren Verständnis:
a)Die Tradition spielt eine zentrale Rolle. Die Tradition versteht sich
nicht als starres Bündel von leblosen Vorschriften, sondern sie zeigt sich im Leben der Kirche und ist auf Jesus Christus bezogen.
b) Die Ikone, die Heilige Schrift sind eng miteinander verbunden. Diese Verbundenheit setzt voraus,
dass die Ikone nach gegebenen Regeln geschrieben (gemalt) ist, dass sie beschriftet ist und nach bestimmten Riten
geweiht ist.
c) Die Ikone ist so kein subjektiv empfundenes , beliebig interpretierbares Bild, sondern eine
theologische Zeichensprache von Kirchenvätern durchdacht, deren Regeln in Malerhandbüchern festgehalten sind. Ein
Spielraum ist für den Ikonographen zwar vorhanden, er muss sich aber formell dem Zweck der Ikone unterordnen. Nur so zeigt sich die Theologie, das Wort Gottes nicht nur im Wort sondern
auch im Bild.
d) Wie der Symbolgehalt der Ikone verbindlich ist, so ist auch die Schreib-, Maltechnik in
Eitempera vorgegebenen Regeln unterworfen, die in Rezepturen und Manuskripten festgehalten sind.
Einige Termini alter Rezepte wurden missverstanden, bei Textübertragungen fehlerhaft abgeschrieben und beliebig gehandhabt ("gelebtes Evangelium"
und klassische Ikonen sind die besten Lehrmeister der Ikonographie).
e) Symbole sind Sinnbilder und Zeichen, welche über ihren Darstellungsinhalt hinaus auf eine
unsichtbare, bedeutsame Ideenwelt hinweisen. Ein Symbol ist im Bereich der Ikone eine Hilfe, um das unvorstellbare
in den Bereich des Greifbaren hinüberzuholen (Symbol zusammenfügen). Das Licht, ein Symbol in allen Kulturen, wird
gleichsam als die Eigenschaft Gottes und seines Sohnes Jesus Christus "Licht der Welt" verstanden. Aus dem Sonnenmythos antiker
Religionen, vom Christentum übernommen, wurde aus dem Sonnengott Helois nun Jesu Christus zu unserer Lichtgestalt. Licht und Finsternis sind
Gegensätze, die sich in der Aureole (mandorla) verbinden, die als Strahlenkranz den auferstandenen Christus umgibt.
f) Das Betreten eines orthodoxen Kirchengebäudes heißt, in die räumliche Ikone einzutreten als Sinnbild
der Verbindung zwischen dem unsichtbaren Kosmos und der zu Materie gewordenen geistigen Welt. So
beginnt der Ikonograph sein Werk meist mit dem Goldhintergrund, der den unerschaffenen und nicht
fassbaren Kosmos und Abglanz des himmlischen Lichtes darstellt, auf dem sich die Materie als sinnlich erfahrbares "Bild" zeigt.
g) Die Ikone bildet somit den Übergang von der sichtbaren zur unsichtbaren Welt; in ihr wird die
unsichtbare Wirklichkeit erfahrbar und braucht der sichtbaren Welt nicht ähnlich sein. Perspektive und Anatomie sind weitgehendst
so gut wie ausgeschaltet, stattdessen wird mit "abstrakten" Mitteln eine Wirklichkeit
vermittelt, die zumeist nur im "mediativen Schauen" erfahr- und erlebbar wird.
h) Was an Bedeutung in der Ikone ist, wird groß dargestellt, hingegen ist weniger Bedeutendes
kleiner dargestellt: BEDEUTUNGSPERSPEKTIVE!
i) Im Gegensatz zur Zentralperspektive profaner Bilder in denen alle zusammengehörenden
Fluchtlinien jeweils auf einen Punkt (Brenn-, Fluchtpunkt)im Bildraum konzentriert sind, laufen die Fluchtlinien
der UMGEKEHRTEN PERSPEKTIVE auf der Ikone hinten im Bildraum auseinander, um auf die
Bedeutung der kosmischen Unendlichkeit hinzuweisen und laufen vor der Ikone (Fluchtpunkt - Auge des Betrachters)
zusammen, was ermöglicht durch nähertreten an dem Geschehen (Heilsereignis) teilzuhaben.
j) Wird der Ikonograph die Ikone erschließen, so beginnt er mit den d u n k e l s t e n F a r b e n, die er
als Schatten des Hades (Unterwelt) erfährt. Gleichsam aus diesem Urgrund formt er mit zunehmend hellerer
Farbe das Licht. Daraus geht hervor, dass die Ikone keine Lichtquelle außerhalb sich kennt, sondern das Licht selbst weitergibt..."dem Volk, das im Dunkeln steht..."
k) Das Ei, ein wichtiges Symbol, steht als Zeichen des Lebens, der Auferstehung und ist für den
Ikonograph das Bindemittel für seine Pigmente! (s.u.a. K.u.B.Kegelmann, Ikonenschule, Münster 1998,
Helmut Fischer, Die Ikone,Herder-Spektrum)
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