Der Ikonenaltar in Bielefeld St. Jodokus
von Heinrich SUNDER

DIE VORGESCHICHTE

Ein Ikonenaltar in einer katholischen Kirche ist sicher etwas ganz Ungewöhnliches. Wie es - mehr oder weniger zufällig, jedenfalls ganz unbeabsichtigt - in der Bielefelder St. Jodokuskirche dazu kam, sei kurz gesagt. Eine Ikonenausstellung des nach München emigrierten russischen Ikonenmalers Alexej Alexandrowitsch Saweljew in Bielefeld veranlasste einen Gönner der St. Jodokusgemeinde, einem von ihm länger gehegten Plan näher zu treten: unserer Kirche einen neuen Kreuzweg zu stiften.
Er fragte unseren Ikonenmaler, ob er einen solchen Auftrag annehme, dieser aber lehnte ab, weil ihm hierzu die Tradition der Ikonen fast jedes Vorbild versagt. Die Ostkirche kennt den in unserer Volksfrömmigkeit üblichen Kreuzweg mit seinen 14 Stationen nicht. Kurzerhand wurde der Auftrag umgewandelt in ein Leben Jesu auf 16 Tafeln, ohne dass Auftraggeber und Künstler zunächst eine Vorstellung von der endgültigen Verwendung dieser Ikonen hatten. Auch als die in Arbeit befindlichen Tafeln für unsere Kirche als Geschenk angeboten wurden, glaubte ich, ablehnen zu müssen, weil ich für die 16 Ikonen in unserem Gotteshaus keine Verwendungsmöglich- keit fand.
Als ich allerdings sämtliche Tafeln fertig beieinander sah, zögerte ich keinen Augenblick, das angebotene Ge- schenk, mit großer Dankbarkeit anzunehmen; denn durch die Zusammenstellung der Bilder glaubte ich, unserem Hochaltar ein würdiges Retabel (Altaraufbau) geben zu können. In unserer sonst stilvollen und glücklich restaurierten, spätgotischen Kirche wurde das neugotische Retabel des Hochaltars schon längst als der übrigen Ausstattung nicht ebenbürtig empfunden. Vom ersten Altar der 1511 konsekrierten Kirche wissen wir nichts. Da es sich beim Bau von Kirche und Kloster St. Jodokus an dieser Stelle um eine Verlegung von der Höhe des Jostberges in die Niederung zwischen Alt- und Neustadt handelte, ist es möglich, dass in unserer Kirche ein früherer Altar des Jostberges neu aufgebaut wurde. Jedenfalls wurde der ursprüngliche Altar von einem Barockaltar abgelöst, dieser aber 1807 an die Kirche in Rheda verschenkt. Danach folgten im Laufe der Zeit 2 neugotische Retabelbilder, die aber beide nicht mehr als mechanische Klischees waren, äußerlich kopiert, aber ohne gotischen Geist und ohne religiöse Aussagekraft. Seit Jahren bemühte ich mich um einen mittelalterlichen Flügelaltar, der dem Charakter der Kirche wie den Maßen von Chorraum und Altar entsprach, der durch die Leuchtkraft seiner Farben ein würdiger Altarschmuck und durch seinen künstlerischen Wert ein hervorstechendes Kleinod im Kirchenraum hätte sein können.

Alle Versuche blieben erfolglos. Andererseits schien mir ein moderner Altar ohne jedes Retabel der mittelalter- lichen Tradition gegenüber unvertretbar. Als ich erstmalig die neuen 16 Ikonen beieinander sah, glaubte ich unverzüglich, hier zwar eine originelle und gewagte, aber durchaus echte Lösung zu finden. Zudem war ich hocherfreut, als ich für diesen Vorschlag die begeisterte Zustimmung des HH. Domkapitulars Prof. Dr. Alois Fuchs, Paderborn des hochverehrten Nestors kirchlicher Kunst im westfälischen Raum, fand 1). Das bisherige Tabernakel wurde beibehalten. Nach Erstellung einer 17. Ikone wurde eine Bilderwand nach Art eines mittelalterlichen Flügelaltars in einen schlichten Eichenholzrahmen gefasst, dessen Ausmaße in glücklicher Proportion zur Größe von Altar und Chorraum stehen. Ein kleines, noch fehlendes Teil über dem Tabernakel musste ein hiesiger Künstler hinzuarbeiten, weil der Ikonenmaler seine Arbeit an dieser Stelle nicht "für eine göttliche Ikone als Füllsel " missbraucht wissen wollte (!?). Die kleine Tafel trägt das alte Christuszeichen in griechischer Sprache ("Licht und Leben").

Die Bilderwand in der Kirche des Ostens (Ikonostase) wird gebraucht, um den liturgischen Vorgang zu verdecken und das Mysterium vor den Blicken der Gläubigen zu verbergen; hier soll die Ikonentafel als Retabel mit der Leuchtkraft ihres Goldes und der Glut ihrer Farbenpracht den Altar schmücken, allerdings ohne sich selbstherrlich darüber zu erheben oder gar - wie in der späteren Kunst mit ihren pompösen, bis in die Gewölbe ragenden Retabeln- den Altar selbst, der die Hauptsache bleiben muss, unterzuordnen und ihn damit entwürdigen zu lassen.
Unsere Ikonenwand behält ihre dienende Funktion: in ihren bescheidenen Ausmaßen will sie als erlesener Schmuck den Altar in seiner Würde unterstreichen. Auch wenn man weitab vom Altar unten in der Kirche steht, gewahrt man schon diese wichtige Aufgabe unserer Ikonen.

So darf es wohl als säkulares Ereignis ausgesprochen werden, dass mit diesem Bildwerk erstmals ein Ikonenaltar in einer katholischen Kirche errichtet wurde, geschaffen von einem Russen für uns Deutsche, von einem Emigranten für uns Einheimische, von einem Orthodoxen für uns Katholiken, - und das im 1.Jahr des 2.Vatikanischen Konzils unter dem glorreichen Pontifikat des großen
"Übergangspapstes" Johannes XXIII. Dem Künstler, der dieses Bildwerk schuf, sei gedankt; er lebt heute noch in der Weise seiner großen Vorgänger, indem er mit Gebet und Fasten bei Tag und Nacht jedes Werk beginnt. Gedankt sei dem Stifter dieser Ikonen im Namen aller Generationen, die vor diesen Bildern zu Andacht und Frömmigkeit angeregt werden. Möchte die für diese Stiftung von ihm selbst formulierte Intention "Zur Ehre Gottes und mit der Bitte um das Gelingen des 2. Vatikanischen Konzils" auch auf alle Betrachter dieser Ikonen übergehen!

1) Professor Dr. Fuchs hielt bei der Jahrestagung des Vereins für christliche Kunst im Erzbistum Paderborn (26. Juni 1962 in Bielefeld) einen Vortrag über den neuen Ikonenaltar. Er veröffentlichte darüber auch einen Aufsatz "Der neue Ikonenaltar für St. Jodokus in Bielefeld" in der Jahresgabe 1962 dieses Vereins (Bonifacius-Druckerei, Paderborn).

 

 

DIE VORLIEBE FÜR IKONEN
IN UNSERER ZEIT

 

Die Tafelbilder des christlichen Ostens blieben jahrhundertlang im Abendland unbeachtet. Zwar gab es in fast jeder katholischen Kirche eine Ikone der Muttergottes unter dem Titel der "Immerwährenden Hilfe", aber die meisten wussten nicht einmal, dass es sich dabei um eine Ikone handelte. Im Westen wusste man von der Kunst der Ikonen fast nichts. Erst die beiden Weltkriege und die mannigfachen Begegnungen von Völkern und ihren Kulturen haben in unserem Jahrhundert einen Wandel geschaffen. Unsere Generation hat die Ikonen neu entdeckt und mit Erstaunen festgestellt, dass ihre Sprache nicht nur eine östliche, sondern eine allgemein verständliche ist. Die Botschaft der Ikonen ist überzeitlich und übernational, ist kosmisch, ist katholisch. Der von einer anderen Welt zeugende Ausdruck der Gesichter, die maßvoll vornehme Bewegtheit der Gestalten, der weihevolle Segens- gestus der Hände, der harmonische Aufbau einer jeden Szene, das gekonnte Spiel passender oder kontras- tierender Farben, das herrliche Aufleuchten auf goldenem Grund, -das alles gibt den Ikonen eine einzigartige Allgemeinverständlichkeit, eine jeden anziehende Schönheit und zeitlose Gültigkeit; die Aussagekraft dieser Kunst ist von einer welt- und völkerumspannenden Weite. Nicht zuletzt geht das neue Verständnis für die Ikonen in unseren Tagen sicherlich auch zurück auf die vielfachen Bemühungen innerhalb der gespaltenen Christenheit, einander besser kennen zu lernen.

Die Ikonen haben eine lange, wechselvolle Geschichte. Es ist ein tiefes menschliches Bedürfnis, von einer verehrten Person ein Bild zu besitzen. Da es aber von Christus wie von Seiner Mutter kein Bild gab, entwickelten sich Legenden, die von einem echten Abbild Christi zu wissen vorgaben und die von Seiner Mutter behaupteten, der Evangelist Lukas habe sie bei Lebzeiten gemalt. Infolge dieser Legenden entstanden nun Bilder von Christus und Maria, die für echt angesehen und vom Volke sehr verehrt wurden. Beim Kult dieser Bilder kam es zu Übertreibungen, die von führenden Männern der östlichen Kirche verurteilt wurden. Doch konnten sie nicht verhindern, dass der Bilderkult des Volkes bis zum Aberglauben hin entartete: man erwies ihnen göttliche Ehren, brauchte sie als Talismane, die vor Unglück bewahren und das Glück sichern sollten.

Es kam zu den Wirren des Bilderstreites, die bis in die Mitte des 9. Jahrhunderts anhielten. Sieger im Streit wurden die Bilderfreunde, allerdings im Sinne einer geläuterten Auffassung: die dem Bild erwiesene Ehre meint das Urbild, die Verehrung des Bildes gilt dem Dargestellten.
Trotzdem geht man noch einen Schritt weiter, indem man in der "Göttlichen Ikone" das Dargestellte irgendwie gegenwärtig glaubt. Die Ostkirche verehrt die Ikonen "mit Furcht und Zittern, mit Weihrauch und Gebeten".
Immer wieder stellt sie den "mystischen Ursprung" der Ikonen heraus, die "nach der Erfüllung der Zeiten von unserem Herrn Jesus Christus durch Anlegen des Tuches an Sein göttliches Antlitz gestiftet worden sind". So sehen die orthodoxen Christen in den Ikonen Ebenbilder, in denen die dargestellten Personen oder Heilsvorgänge gegenwärtig wurden.

Für die künstlerische Gestaltung gibt es in der Ikonenmalerei die Doppelforderung des traditionsgebundenen Typus und des dem Maler aufgetragenen individuellen Stils. Die alten Malbücher weihen den Künstler nicht nur in die Technik der Farbherstellung ein, sondern verpflichten ihn auch auf überkommene Farbgebung und Gestaltung. Aber es soll auch der Künstler seine eigene Seele und das Zeitempfinden irgendwie in die Bildwerke hinein- geben. Wenn auch die Ikonenmalerei vorzüglich traditionsgebunden ist und dem persönlichen Schaffen wenig Spielraum bleibt, so ist es doch erstaunlich, dass es kaum eigentliche Klischees gibt. Immerhin ließ die Kunst dem Künstler soviel subjektive Eigenheit, dass ein Absinken ins Süßlich-Sentimentale wie auch ein Regene- rationsprozess zu klassischer Größe möglich wurden. Bewusst aber tritt der Meister hinter seinem Werk zurück und glaubt sich der auf den Malerapostel Lukas zurückgehenden Tradition streng verpflichtet.

Leider sind im Bilderstreit beste byzantinische Ikonen in großer Zahl vernichtet, leider sind im Tartarensturm des 13.Jahrhunderts ganze Bestände russischer Ikonen zugrunde gegangen. Im Zuge der Entwicklung waren die Russen die gelehrigsten Schüler der byzantinischen Meister geworden. Russland ging in die Kunstgeschichte ein als das klassische Land der Ikonenmalerei. Seit der Europäisierung Russlands durch Peter den Großen aber haben russische Künstler immer mehr aufgehört, Ikonen zu malen; sie haben sich weltlichen Themen zugewandt oder im kirchlichen Bereich europäische Vorlagen benutzt. Die einst blühende Kunst wurde abgelöst von einem Handwerk, das entweder geistlos kopierte oder rührselig europäischen Kitsch fabrizierte. In Frankreich aber entstanden Ikonenfabriken, die ihre Ware nach Russland importierten. Dem damaligen Niedergang folgte in unseren Tagen die Renaissance der Ikonenkunst in Ost und West.

 

ZU DEN EINZELNEN BILDERN

 Die Ikonen stellen das Leben Jesu dar und sind chronologisch geordnet - mit der einen Ausnahme, dass das Kreuz die Mitte des Retabels bildet und damit den Altar beherrscht. Die Bilderwand soll daran erinnern, dass in der Eucharistiefeier auf dem Altar das Gedächtnis des in den 17 Ikonen dargestellten Lebens Jesu begangen wird. Was wir auf den Bildern sehen, vollzieht sich geheimnisvoll auf dem Altar, von der Verkündigung bis zum Pfingstfest. Besonders können es die drei mittleren Bilder der oberen Reihe veranschaulichen: Opfergang (der Weisen), Kreuzesopfer und Abendmahl. Die einzelnen Bilder vermeiden betont jede Perspektive. Weil es auf den Vorgang selbst allein ankommt, dienen als Kulisse bizarre Felsen oder hohe Bauten, bisweilen mit Vorhängen verbunden. Es ist eine Eigentümlichkeit der Ikonenmalerei, dass sie alle geschilderten Szenen nie in Innenräumen darstellt, sondern sie stets ins Freie verlegt.
Die am oberen Rand einzelner Bilder sichtbaren Kreissegmente, aus denen Strahlen hervorgehen (beim Bild der Geistsendung sogar ein Strahlenbündel), wollen den Himmel repräsentieren, aus dem die Gnade auf uns niedergeht. Im Nimbus des Herrn stehen jeweils die Worte "ho on", sie bedeuten wie Jahwe: der Seiende und sind Ausdruck Seiner Göttlichkeit.
Bei den Darstellungen geht es nicht immer um geschichtlich exakte Einzelaussagen, sondern um das, was religiös bedeutsam ist. So kennt die östliche Kirche in ihren Bildern nicht unser herziges Krippenkind der deutschen Malerei oder den süßen Bambino Jesu Italiens, ihr erscheint schon im Kind die Majestät Gottes. Besonders deutlich wird das bei der Ankunft der Weisen und beim 12jährigen Jesus im Tempel. Ein Idiom unseres Malers ist sicher die Beschränkung auf das Wesentliche des jeweiligen Vorgangs. Das zeigt sich etwa bei der Geburtsszene, wo auf alle sonst üblichen Einzelheiten (St. Josef, Hirten, Könige) verzichtet wird, wie auch beim 12jährigen Jesus im Tempel, wo der Künstler - allerdings hier ganz in der Linie der Tradition -Maria und Josef weglässt ("Kind, warum hast Du uns das getan?" usw.), damit sie die imponierende Gruppe, die den Gottessohn so mächtig hervortreten lässt, nicht stören.
Eine verhältnismäßig große Eigenwilligkeit zeigt der Maler in der Anbetung des Kindes durch die Weisen. Dieser Vorgang findet sich zumeist als Begleiterscheinung auf den Bildern von der Geburt (auf Pferden heranreitende Könige). Hier lässt der Künstler die Gottesmutter hoheitsvoll auf einem von einem Baldachin überwölbten Thron sitzen, mit einem Schemel unter ihren Füßen als Zeichen ihrer hohen Würde. Sie selbst wiederum ist Thron für ihren göttlichen Sohn, der mit seiner Rechten die Welt segnet und in der Linken die Schriftrolle trägt. Mit großer Ehrfurcht nahen die Weisen dem göttlichen Kind. Die Besonderheit dieses Bildes ist wohl veranlasst durch die Tatsache, dass diese Ikone - ihr Gegenstand ist ein Lieblingsthema des Stifters - nachträglich als 17. Tafel in  Auftrag gegeben wurde.

Die Ikonen sind nicht um jeden Preis historisch, sondern symbolisch. Darum tut es auch nichts, wenn auf allen Apostelbildern, sogar schon im Abendmahlssaal, der hl. Paulus erscheint: wo Petrus, da Paulus. In der Mitte der Bilderwand steht das Kreuz über einem aufgerissenen Grab mit einem Totemschädel darin. Nach östlicher Überlieferung stand das Kreuz des Herrn auf dem Grab Adams. Der zweite Adam - Christus - hat durch Seinen Tod die uns alle belastende Sünde des ersten Adam gesühnt. Besonderes Interesse verdient das letzte Bild oben rechts: descendit ad inferos, abgestiegen zu der Hölle. Der österliche Triumph Christi nimmt seinen Anfang mit der Höllenfahrt. Der Sieger von GoIgotha verkündet zunächst den Vätern der Vorzeit das Heil. In der Bildmitte auf dunklem Hintergrund steht der verklärte Herr in  schneeweißem Gewand, von einer Aureole umgeben, mit Seiner Rechten zieht Er Adam zu Sich herauf, während links von Ihm Eva aus dem Grab ersteht. Die Füße des Herrn stehen auf den zerbrochenen Flügeln der Höllentür. Aus dem Felsengebirge heraus kommen auf der linken
Bildseite die Könige David und Saul (der ihnen traditionell beigegebene Johannes der Täufer fehlt), auf der rechten Seite ein anonymer Vertreter der hl. Vorväter.
Diese Einzelheiten der Höllenfahrt Jesu haben die Ikonenmaler entsprechend ihrer kirchlichen Überlieferung dem apokryphen Nikodemusevangelium entnommen.
Während im Westen, vor allem seit der Renaissance, die kirchliche Kunst dieses Thema stark vernachlässigt hat, ist es zum offiziellen Osterbild der Ostkirche überhaupt geworden. Auch in der Osterliturgie der Ostkirche findet der Höllenabstieg stärkste Erwähnung - als Symbol für die Erlösung des Alls. Das Osterhalleluja wird in der Vorhölle angestimmt.

Eigenwillig gegen die geltende Tradition versagt unser Künstler den Aposteln - mit Ausnahme des Johannes -den Heiligenschein, vielleicht um sie nicht auf Erden schon zu glorifizieren.

Bei der Himmelfahrt des Herrn ist darauf hinzuweisen, dass Christus nicht in der uns bekannten Weise als noch zum Himmel Auffahrender, sondern als bereits in die Glorie eingegangener Kyrios gezeigt wird. Ferner erscheint im Unterschied vom biblischen Bericht Maria im Kreis der Apostel, sie ist gedacht als Repräsentantin der Kirche anlässlich der Verherrlichung Christi.

Das letzte Bild der unteren Reihe zeigt die Herabkunft des hl. Geistes. Maria fehlt, während aus einem Torbogen eine symbolische Gestalt auf uns zukommt. Weshalb Maria fehlt, wusste der Maler nicht zu sagen. Die symbolische Gestalt deutete er als den in Gestalt der Kirche unter uns fortlebenden Christus. Diese Deutung wird der Tradition nicht gerecht. Über der Figur müsste nach alter Weise das Wort "Kosmos" stehen, d. h. Welt. Diese Figur stellt auf dunklem Grund die erlösungsbedürftige Welt, die noch im Finstern lebt, dar, sie ist alt geworden wie die Menschheit seit Adams Sünde alterte, ihr Kleid ist gerötet von blutigen Opfern, ihre Krone zeigt die Herrschaft der Sünde in dieser Welt, das weiße Tuch mit den 12 Rollen die kommende Kirche, die durch die 12 Apostel die Lehre des Heils diesem Kosmos bringen wird.

Wir überblicken noch einmal besinnlich die 17 Tafeln der Reihe nach: in der oberen Reihe sind von links nach rechts dargestellt die Verkündigung, die Geburt, die Darstellung Jesuim Tempel, die Anbetung der Weisen. In der unteren Reihe wird das Leben Jesu fortgesetzt durch den zwölfjährigenJesus im Tempel, die Auferweckung des Lazarus und den Einzug in Jerusalem. Über dem Tabernakel in der Mitte der oberen Reihe das Kreuz, danach folgen oben Abendmahl, Judaskuss, Grablegung und Höllenfahrt. In der unteren Reihe: die Frauen am Grabe,der ungläubige Thomas, die Himmelfahrt und die Herabkunft des hl. Geistes.

Abschließend zitiere ich Professor Dr. Fuchs: "Der Gesamteindruck des neuen Retabels der Jodokuskirche ist unbestreitbar dem eines mittelalterlichen Altares ebenbürtig. Die Pracht der Farben gibt in Verbindung mit dem Goldgrund einen harmonischen Klang und eine hohe sakrale Wirkung. Der Altar ist der beherrschende Mittelpunkt der ganzen Kirche. . .
Wenn man sich nach einem alten Altar umsehen muss, wird man sich berechtigt glauben, auch einmal einen neuen, in maßvollen Abmessungen gehaltenen Retabelaltar zu errichten, wenn er, wie in St. Jodokus, den besten alten Retabelaltären ebenbürtig ist. Das kann nur Ausnahme sein, und dass es in Gestalt eines Ikonenaltars geschehen ist, dürfte wohl einmalig bleiben."

Dieser Text ist als Buch im Verlag RICHARD BENTRUP BIELEFELD erschienen, in dem Buch werden auch alle 17 Ikonen als Bilddruck gezeigt.