Der Propheten größter ist Jesaja. Die Tiefe seiner Gedank- en, die Formschönheit und Macht seiner Sprache,
der Reichtum und die Bedeutung seiner Weissagungen stellen ihn an die Spitze aller Künder der Geheimnisse Gottes, auch wenn er zeitlich nicht der erste war. Seine Heimat war wohl die
Hauptstadt Jerusalem. Dort gehörte er den vornehmen Kreisen an und stand dem königlichen Hause nahe. Von seiner Familie sind nur sein Vater Amos und zwei Söhne mit prophetischen
Namen genannt. Er wirkte unter den vier so verschiedenen Königen Ozias, Joatham, Achaz und Ezechias durch volle 45 Jahre. Schon mit 25 Jahren wurde er im Todesjahr des Ozias, 738, durch
eine eindrucksvolle Vision zum Prophetenamte berufen: Er sah sich in den Vorhof des Tempels entrückt am Eingang des Heiligtums stehen und blickte auf den Vorhang vor dem Allerheiligsten.
Da schaute er den Herrn selbst im unzugänglichen Lichte, nicht ihn selbst, sondern nur den Saum seines Gewandes das Heiligtum füllend und über ihm schwebten zwei glühende geflügelte
Gestalten...Der Herr fragte: "Wen soll ich senden?" und der junge Jesaja antwortete schlicht, einfach aber entschlossen:" Ich bin bereit, sende mich!" Das, was Gott
ihm weiter sagte, behielt er für sich, da es so entmutigend für ihn selbst war und so niederschmetternd für das Volk. Er sollte nicht Bekehrung, sondern Verstockung dem Volke predigen,
seine Ohren taub, seine Augen blind machen, bis das Strafgericht voll hereinge- brochen und nur mehr ein kleiner Rest übrig sei als heiliger Same für die Zukunft. Mit unerhörtem
Freimut sagte er dem Volke, wie es wirklich war. Zurückgreifend auf eine alte Prophezeiung, die auch sein Zeitgenosse Michäas (4,1-3) verwendete, schilderte er kurz die friedliche
messianische Endzeit, wenn alle Völker zum Berge Gottes strömen, zur Erkenntnis der Wahrheit kommen, das Gesetz des Herrn annehmen werden. Der abtrünnigen Gegenwart aber wird das
Strafgericht im Bilde eines furcht- baren Gewittersturmes voraus verkündigt... Er zeichnet König Joatham zur Zeit der übermütigen Wein- lese im Lied vom unfruchtbaren Weinberg
seines Freundes das Bild seiner religiösen Dürre (äußerer Wohlstand geht Hand in Hand mit der inneren Gottesferne...wie heute auch!) verbunden mit den Hauptsünden: Habsucht,
Unmäßigkeit, Übermut, Lüge, Hoffart und Bestechlichkeit... Jesaja setzt in Erstaunen durch die Universalität seines Geistes, durch die Weite und Tiefe seiner Prophetenworte, durch
die Vielseitigkeit seiner Gefühle und Gedanken...von süßester Freude bis zu bitterstem Schmerz. Im Zentrum des Alten Bundes stehend war er Zeitgenosse des Unterganges des
Nordreiches und erlebte die wunderbare Rettung des Südreiches, schaute aber auch dessen Katastrophe und die Rettung nur eines kleinen Restes voraus..., dem er sich liebe- voll annahm,
denen er das Bild des messianischen Gottesknechtes enthüllte (siehe Johannes der Täufer, Messias Jesus Christus hat aus seiner Schriftrolle zu Nazareth vorgelesen...). So wurde Jesaja
der Größte der Propheten in beiden Testamenten, der Gipfelpunkt der Gottesgabe der Weissagung, die im Orakelwesen der Heidenwelt so irrtumsreich im Dunkeln tastete, die beim Bundesvolke
Gottes zur lichten Höhe göttlicher Offenbarung sich erheben durfte.
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