Ja, die Musik hat gut gepasst, denn es wird nun etwas turbulent.

So schön wie die Königin von Saba, nach der das Musikstück benannt ist,

so ist es auch, wenn wir nun ins Detail gehen.

2. Teil

Die Platte ist vorbereitet, die Vorzeichnung aufgebracht. Jetzt will ich Sie mit zwei Wirklichkeiten konfrontieren.
Genau wie ich damals bei meiner ersten Begegnung mit dem Ikonenmaler Alexej Saweljew mit einer anderen Wirklichkeit konfrontiert wurde also mit einer Art Ikonen, die ich vorher kannte.

Normalerweise fragt man sich wie entsteht so ein Bild, wie kommt das Spiel der Farben zustande, dann ist das auch, wie bei den Ikonen nichts dem Zufall überlassen ist, auch in diesem Fall nichts dem Zufall überlassen.

Allerdings gibt es verschiedene Arten wie Farbe aufgebracht wird. Verschiedene Richtungen aus denen und in die hinein gemalt wird.

Da konnten Sie mit Herrn Saweljew ganz ernsthaft aneinander geraten, da können Sie mit jedem Ikonenmaler in sehr ernsthafte Diskussionen geraten.

An dem Punkt merkt man, dass sie auch Künstler sind. Bei aller Demut, die sie an den Tag legen, dass sie sich den Vorgegebenheiten unterordnen, kommt da die Eigenheit, der Ehrgeiz kann man nicht sagen, die eigene Überzeugung durch.

Ich stelle ihnen zunächst einmal die eine Art des Malens vor, die sie normalerweise bei Ikonen wie Sie sehen und dann die wie sie uns Alexej Saweljew nahe bringt.

Beide Arten des Malens, das schicke ich einmal vorweg, haben auch theologische Aussagen. Bei den Ikonen normalerweise griechischen oder russischen wird von dunkel nach hell gemalt.

Alexej Saweljew malt umgekehrt, sage ich gleich einmal, er malt von hell nach dunkel. Er sagt, meine Malweise ist die des ersten Jahrtausend.
Das konnte ich bisher wissenschaftlich noch nicht nachweisen. Von daher muss ich das einmal einfach so stehen lassen. Selbst wenn es nicht so wäre, hat es ein Sinn von dunkel nach hell malen heißt, zuerst werden die dunkelsten Farben aufgetragen.
Brauntöne, Rottöne, dunkle Blautöne. Das Gesicht wird zunächst einmal mit einem ganz dunklen ockerfarbenen Überzug, das später einmal das Gesicht werden soll, versehen. Und dann werden von diesen dunklen Grundfarben her, die einzelnen Bildteile herausgearbeitet indem Schicht für Schicht an die entsprechende Stelle, was da hervortreten soll, hellere Farben aufgetragen.

Pflanzen, Berge, Personen, Kleider zunächst einmal, das Gesicht kommt ganz am Schluss.

Also immer mit einer..., wie soll ich salopp sagen, das trifft nicht ganz mit einer hoch...einer aufgetönten, gehellten Farbe wird das nächste Element in einem Gesicht oder der Faltenwurf eines Kleides heraus- gearbeitet.

Mit immer neuen Lasuren tritt das Bild dann regelrecht aus und auf diesem Untergrund hervor.

Am Schluss , das können Sie, wenn Sie also Ikonen in der uns bekannten Malweise, ich sag das mal ganz neutral, in der uns normalerweise bekannten Malweise sehen, werden da an bestimmten Stellen ganz helle Lichter aufgesetzt.

Einfach weiße Flecken, Striche. Ja abstrakt fast zum Teil, dadurch wird aber das Ganze lebendig.

Der Werdegang oder dieser Werdegang einer Ikone offenbart ihr Wesen, das, was sie eigentlich will: Nämlich, dass sie selbst Offenbarung ist.

Von daher nicht uns Menschen einfach so gegeben, dass  wir sie manipulieren können. Und zwar Offenbarung im christlichen Sinne. Im biblisch-christlichen Sinne.

Einen Text, den wir jetzt immer wieder hören während der Adventszeit, der in der heiligen Nacht gelesen wird, aus dem Buch des Propheten Jesaja: „...ein Volk, das im Finstern wandelt, sieht ein helles Licht...!“

Genau das möchte die Ikone aufleuchten lassen. Fast unbeschreiblich: Gott kommt, um auch auf dem dunklen Hintergrund unseres Lebens und unserer Lebenswirklichkeit das Licht herauszuarbeiten.

Wenn wir unsere großen Feste Weihnachten und Ostern in der Nacht feiern, wird genau das deutlich!

Hier muss man sehen, dass wenn die liturgische Feiern von Ostern und Weihnachten auf den Nach- mittag/Abend gelegt werden, ihren Sinn verloren haben, weil sie dies nicht verkündigen können.

Zur Weihnacht gehört die Feier in der Nacht, weil sie offenbart, was Gott machen will: In unsere Lebensnacht wird er geboren.

Ähnlich wie es die Ikone will.

Ostern wird es noch deutlicher. In die tiefsten Nacht, in den Tod steigt Gott hinab, um sie zu entmach- ten endgültig zu erhellen, auf dem Dunkel unseres Lebens kommt Gott auf uns zu als der, der Licht bringt. Sein Licht ist stärker als alle Dunkelheit, die wir uns denken können.

Jetzt habe ich ein bisschen gepredigt, aber das muss sein, sonst verstehen wir den Hintergrund nicht. Ja, und wer sich nicht damit identifizieren kann, der soll es bitte als normale Sachinformation nehmen. Ich möchte da niemanden zu nahe treten.

Alexej Saweljew macht es umgekehrt!   

Er malt von Hell nach Dunkel. Farblasuren verwendet er: An der helleren Stellen sind sie in wenigen Schichten aufgebracht. Für dunklere Töne wird die gleiche Lasur so oft aufgetragen bis der gewünschte Effekt erreicht ist.

Ich habe lange hin und her überlegt: Gibt es dafür auch einen theologischen Sinn? Ich versuche mal Folgendes: Das habe ich bei der Dreifaltigkeit schon angedeutet. Gott ist für uns normalerweise nicht darzustellen. Er wohnt im unzugänglichem Licht, so heißt es in der Heiligen Schrift. Niemand kann ihn sehen.
Das heißt dieses Licht, das ihn umgibt, natürlich ist das alles nur der Versuch  menschlich zu um- schreiben, dass er ganz anders ist.

Wir kommen da immer wieder an die Grenzen unsrer Sprache und unserer Vorstellung. Das tollste und das ist im Gesicht, heller und heller, heller als die Sonne. Mose hatte auf dem Berg Sinai, Sie erinnern sich vielleicht, eine Gottesbegegnung gehabt, und als er runter kam vom Berg, da war sein Anblick seinen Volksgenossen unerträglich, so hatte er gestrahlt.

Das heißt dieses Licht Gottes hat sich auf sein Angesicht gelegt und folglich er es gestrahlt

...und in der Folgezeit ging Mose, wenn er unter  Leute ging mit einem Schleier vorm Gesicht, damit die anderen ihn erkennen.

Ich nehme einmal diese weiße Tafel und das Weiß, das da zunächst einmal ist, als ein Zeichen für dieses Licht Gottes.
Wenn wir da hineinschauen, sehen wir nichts, das blendet uns. Das überleben wir nicht, sagt die Bibel, wer Gott sieht, der muss sterben.
Das ist nicht negativ gemeint, d.h. wir fassen es nicht mehr, es sprengt alle Grenzen. Genauso wie helles Licht uns letztlich zum Erblinden bringt. Licht brauchen wir um zu sehen, aber Licht kann wenn es zu hell blind machen.

Helles Licht muss abgedunkelt werden, wenn ich mich ihm nähere. Und wie Moses den Glanz seines Gesichtes, diesen Glanz Gottes abgemildert mit einem Schleier erträglich gemacht hat, so möchte  - und das ist meine Theorie, die ich theologisch in dieser Art des Malens wieder sehe - so  war vielleicht auch das Bestreben von Alexej Saweljew  (wir können dazu  nicht mehr fragen) das Licht Gottes, was wir nicht fassen können und was uns blendet, uns durch Farbe zugänglich zu machen,gewissermaßen dieses Licht erträglich zu machen.

Was nämlich bei den Ikonen von Alexej Saweljew deutlich wird ist, dass sie wie keine andere Art und Weise des Malens mit Licht arbeitet.
Ich habe verschiedene Ikonen von ihm und verschiedene griechische und russische. Die griechischen und russischen Ikonen schlafen noch lange morgens, da sind die von Alexej Saweljew schon längst wach.

Die geringste Spur von Licht am Morgen bringen diese Ikonen zum Leben. Kunstlicht vertragen sie ganz schlecht, da werden sie blass.

Ich bat daher vorhin schon mal die Lampen hier im Museum auszumachen.

Sie vertragen fast nur natürliches Licht und werden im Dämmerlicht – morgens und abends- lebendig. Die Farben sind dann sehr warm, sehr anziehend. Da scheint mir auch eine theologische Botschaft drin zu stecken. Dämmerzeit ist Krisenzeit, sagen die Psychologen, die Morgen-, die Abenddämmerung.

Daraus kommt aber dann ein eindeutiges Licht, mit einer eindeutigen Information und der Botschaft, dass ich mich vor Dämmerzeiten nicht zu fürchten brauche.
Eine Erfahrung, die ich jeden Morgen und jeden Abend mache ... mit diesen Bildern. Sie laden mich gewissermaßen ein, hinzuschauen, zu verweilen, die Spuren des Lichtes wirken lassen. Da werden sie lebendig.

Da wird gerade in dieser Art und Weise des Malens auch dann das deutlich, was Menschwerdung und Inkarnation bedeuten: Den Gott im unzugänglichen Licht den können wir nicht sehen, das bringt uns um.
Von daher hat Gott sich ja ‚erträglich’ gemacht, in dem er menschliche Gestalt annimmt ........Form Farbe.                                      

Die Ikonen haben ja ihre Berechtigung auch nur infolge der Inkarnation, der Menschwerdung, der Weltwerdung Gottes. Wir haben nach wie vor das Gebot, Gott nicht darzustellen. Das geht nämlich nicht.
Das einzige, was wir von Gott darstellen können, ist der Mensch gewordene Sohn Gottes, ist Jesus Christus, mit einem menschlichen Gesicht.

Er sitzt da wie auf einer weißen Tafel, welche die Unzugänglichkeit Gottes deutlich macht, mit Form und Farbe ereignet sich etwas und Gestalt nimmt an, so dass wir ein Menschenantlitz wahrnehmen können und da im Anblick Jesu dann, ja denke ich, geschieht etwas: Gott kommt auf uns Menschen zu und macht sich uns fassbar, nimmt Gestalt an mit der wir etwas anfangen, mit der wir in Beziehung treten, mit der wir umgehen können.

Dass diese Bilder dann, das ist ein Weiteres, zum Umgang einladen, ja möglicherweise auch zum Um- gang zwingen, das macht , sag ich mal salopp, einen Trick möglich: Wir haben etwas Schwierigkeit. Ikonen z.B., die von der Farbe her eher nach unserem Geschmack gemalt sind, bescheren uns immer noch ein Problem: Diese seltsame Perspektive.

Das Bild hat keine Tiefe. Die Gebäude sind verzerrt, zum Teil stehen da Säulen, wo sie gar nicht stehen sollen und alles ist ein bisschen verdreht.
Aber am Deutlichsten wird es, wenn Sie versuchen, mal zu schauen, wo denn der Fluchtpunkt dieses Bildes ist.
Normalerweise wenn z.B. sie ein schönes Barock-Gemälde sehen – da verliert sich der Blick in der Ferne: im sogenannten Fluchtpunkt.

Auf ihn hin ist das Bild ausgerichtet.

Oder wenn Sie durch diese Tür hier schauen, Da sehen sie in die Straße ganz weit weg, verliert sich der Blick, die Häuser werden immer kleiner. Ja, da haben wir ein Ziel in der Ferne für unseren Blick.

Das ist bei diesen Bildern nicht. Der Baum hinten ist noch größer als der vorn. Sie können es auch bei den Gebäuden sehen. Wenn sie nachher mal rundgehen.

Die Gebäude hier sind im Hintergrund genauso groß wie im Vordergrund. Normalerweise muss es umgekehrt sein.

Die Ikone arbeitet mit der sogenannten umgekehrten Perspektive. Der Fluchtpunkt auf den alles zuläuft. ..,ist nicht irgendwo hinten im Bild, sondern der Fluchtpunkt ist vor dem Bild. Ich darf ihnen das einmal zeigen, wenn sie einmal sehen, ich kann das Bild („Die Dreifaltigkeits-Ikone“) nach hier verlängern.

Die Gebäude oder die Möbel sind so ausgerichtet, dass –hier vorne - der Punkt des Dreiecks ist, von dem diese Bewegung ausgeht. Das heißt die Perspektive ist vom Hintergrund des Bildes nicht nur in den Vordergrund, sondern vor das Bild gelegt. Ich habe also nicht das Gefühl dass ich vor dem Bild stehe, sondern ich habe das Gefühl, dass in dem Bild stehe.

zu dem Musikern gewandt, die vor der Dreifaltigkeitsikone sitzen: Sie sitzen jetzt im Bild... Ja so ist es auch gedacht. Sie dürfen ruhig sitzen bleiben. Das ist nämlich genau das, was dieses Bild will, und das ist ein theologisches  Moment.

Hier wird nicht etwas Vergangenes abgebildet wie hier bei der Dreifaltigkeit. Das ist nicht nur der Besuch bei Abraham damals vor dreieinhalbtausend Jahren dargestellt, nein, das Bild ermöglicht mir, dass ich Gott besuche

 – jetzt - mich bei ihm an den Tisch setze, das Bild ist nach vorn vorne hin offen.

Sie können einmal alle biblischen Darstellungen, die im Raum sind, hier sehen sie es auch bei der Ikone des Evangelisten Matthäus.

Wenn sie einmal bei den anderen biblischen Bildern

nachher schauen, die laden Sie ein, einfach einmal hier da zu sein und nicht nur als Zuschauer sondern gewissermaßen mit als Akteur.

Das Dargestellte ist nicht in sich abgeschlossen, sondern es lädt ein mit dem was da geschieht in Beziehung zu treten.

Das ist das, was Alexej Saweljew nicht müde wurde zu sagen: „Die Ikone ist ein Geschenk der Liebe Gottes an uns“.

Dass es nämlich kein Heiligenbild ist sondern ein heiliges Bild.

Ein heiliges Bild meint, etwas, was  jetzt noch etwas  wird. Das von mir eine Stellungnahme, einen Respekt abverlangt.

Deutlich wird das ja auch an Beschriftung: Der Name des Abgebildeten zeugt von seiner Gegenwart. Die Ikone gehört dem Heiligen und er lässt mich daran teilhaben. Daher kann ich eine Ikone nicht besitzen, ich kann sie nur bei mir wohnen lassen.

Sawlejew hat  Ikonen nur dann beschriftet, wenn er sicher war, dass sie auch verehrt wird.

Da die Ikonen in der Ausstellung für Demonstrationszwecke angefertigt wurden, sind sie nicht beschriftet

Ikonen sind keine Dekorationsgegenstände, die einem ein schönes Gefühl verleihen.

Das hat Alexej immer wieder betont und da gebe ich ihm einfach recht, das theologische Bild ist nicht dafür da, schöne Gefühle auszulösen, sondern zum Staunen zunächst einmal zu bringen, neugierig zu machen, herauszufordern. Sie sind Teilhabe oder Kundgabe am Wesen Gottes, am Leben der Heiligen, am Leben der Person, die dargestellt ist.

Von daher ist eine Ikone kein toter Gegenstand. Lebende Ikone heißt es, hat unser Maler immer wieder gesagt. Ich muss mit ihr leben, kann sie nicht irgendwo rumstehen lassen.

Ich merke immer wieder, dass es Ikonen gibt, die ich nicht ertragen kann, dann muss ich sie weg tun. Dass Ikonen im Haus herumwandern, sie hängen nicht immer an der selben Stelle.

Vor Jahren habe ich eine Ikone malen lassen für Freunde von mir, die sich eine wünschten.Als ich sie beim Ikonenmaler abholte, sagte er: „Geben sie diese Ikone nicht weg. Sie ist für Sie. Soweit ich Sie kenne, ist sie für Sie“.  Ich habe sie aber dann doch der Freunden gegeben, für die ich sie habe anfertigen lassen und die sie sich auch gewünscht hatten. Sie wanderte dort im Haus umher und fand keinen Ort. Schließlich kam sie zu mir zurück.

Meinen Freunden habe dann eine andere gegeben und diese fand sofort ihren Platz.

Ich kann ein Ikone nicht aufhängen oder hinstellen wie einen Dekorationsgegenstand. Sie fordert heraus zu einer Auseinandersetzung, zur Stellungnahme. Das hört sich vielleicht etwas hart an, aber ganz ehrlich, das ist es ja auch, was eine Beziehung ausmacht.

Also wenn ich irgend jemand interessant finde, mich jemand anblickt und anspricht, dann werde ich aktiv, setze ich mich mit ihm auseinander.

Dann pflege ich Umgang mit ihm, und ich pflege auch den Umgang mit ihm. Ich investiere etwas  in ihn.

Dazu lädt uns die Ikone ein.

Und ich lade Sie ein, sich auf einen Weg einzulassen, um Erfahrungen zu machen im Umgang mit Ikonen.